Fokustag «Ehe für alle» - eine persönliche Sicht

Fokustag «Ehe für alle» - eine persönliche Sicht

Ein Fokustag der EVP Schweiz zur «Ehe für alle» lockte am 1. Februar fast 200 Mitglieder nach Bern. Fachpersonen aus Medizin, Recht und Ethik erläuterten die gesellschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen einer allfälligen Ausweitung der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare.

Unser Co-Geschäftsführer Philippe Messerli fasst im nachfolgenden Beitrag seine persönlichen Eindrücke und Schlussfolgerungen zusammen.

Kleine Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft
Rechtsprofessorin Regina Aebi zeigte, dass die Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft erstaunlich klein sind. Dies die Unterschiede zur Ehe: Treuepflicht besteht nicht. Nachpartnerschaftlicher Unterhalt ist nur ausnahmsweise bzw. beschränkt einklagbar. Es gibt kein eigentliches Güterrecht resp. die Gütertrennung ist ordentlicher Güterstand. Adoption ist nicht möglich. Schliesslich kann eine eingetragene Partnerschaft einfacher aufgelöst werden als eine Ehe. Einige dieser Ungleichheiten könnten bei Bedarf mit einer Anpassung des Partnerschaftsgesetzes behoben werden.

Kinderwunsch als Hauptmotiv für «Ehe für alle»
Mir wurde bewusst, dass es bei der Forderung nach Ausdehnung der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare letztlich um etwas ganz anderes und um viel mehr als «nur» um eine symbolische Gleichstellung zwischen heterosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren geht: Ziel ist «das Recht» auf Kinder und damit der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin. Heute ist die «Samenspende» nur heterosexuellen Paaren namentlich bei Unfruchtbarkeit erlaubt. Für alleinstehende Frauen, Frauenpaare und nicht verheiratete Paare ist sie verboten. Um auch lesbischen Paaren die Insemination zu ermöglichen, wird nun kräftig in die Trickkiste gegriffen: Indem man sie für «unfruchtbar» erklärt, soll mit einer einfachen Gesetzesanpassung die eigentlich erforderliche Verfassungsänderung umgangen werden. Bei einer Ausweitung auf lesbische Paare wäre auch die Abstammungsfrage neu zu regeln, denn Kinder haben Anrecht auf Kenntnis ihrer genetischen Abstammung.

Noch ist unklar, ob die Vorlage zur «Ehe für alle» nach der Beratung in den eidgenössischen Räten die Möglichkeit zur «Samenspende» bereits enthalten wird oder nicht. Einflussreiche Kreise empfehlen aus taktischen Gründen, im Moment noch darauf zu verzichten. Die Forderung wird aber unweigerlich kommen. Die gleiche Salamitaktik gab es auch beim Partnerschaftsgesetz, wo die Befürwortenden klar betonten, dass es nicht um die Ehe und um Kinder gehe.

Fünf Personen für ein Kind?
Ethiker Steve Bobillier wies auf den Rechtsgrundsatz hin, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln sei. Aktuell lässt sich die Ungleichbehandlung zwischen gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Paaren beim Zugang zur Fortpflanzungsmedizin damit rechtfertigen, dass Ehe und eingetragene Partnerschaft unterschiedliche Zivilstandsformen darstellen.

Würde die Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare ausgedehnt, wäre die Beschränkung bei der Fortpflanzungsmedizin diskriminierend, weil sich innerhalb des gleichen Zivilstandes eine Ungleichbehandlung ergäbe. Im Falle einer Ausweitung der «Samenspende» auf lesbische Paare könnten dann männliche Ehepaare Diskriminierung geltend machen und zur Erfüllung ihres Kinderwunsches die Legalisierung der Leihmutterschaft einfordern. Diese stünde dann allen Paaren offen und bezöge bis zu fünf Personen ein: Samenspender, Eizellenspenderin, Leihmutter sowie den sozialen Vater und die soziale Mutter. Das Kindeswohl, insbesondere die Identitätsfindung, bliebe dabei auf der Strecke.

Fazit: Das Partnerschaftsgesetz regelt die Belange gleichgeschlechtlicher Paare weitgehend gut. Anpassungen können diskutiert werden. Der fatalen Entwicklung zur Ausweitung der Fortpflanzungsmedizin kann jetzt mit einer Ablehnung der «Ehe für alle» begegnet werden. Der Kinderwunsch darf nicht um jeden Preis realisiert werden!

Philippe Messerli, Co-Geschäftsführer EVP BE
 

EVP-Basis sagt NEIN

Knapp 2’000 EVP-Mitglieder (44%) beteiligten sich im Februar an einer parteiinternen Umfrage zur «Ehe für alle». Gut zwei Drittel sind gegen die Erweiterung des Ehebegriffes. Als Hauptgründe werden das Eheverständnis als Gemeinschaft von Frau und Mann sowie die Forderungen nach Zugang zur Fortpflanzungsmedizin angegeben. Samenspende, Eizellenspende oder gar Leihmutterschaft für homosexuelle Paare lehnt die EVP-Basis entschieden ab.